Geschichte

Aus der Baugeschichte

Anfangs des 18. Jahrhundert wird ein Sigristenhaus erstmals erwähnt. Auf älteren Fundamenten des heutigen Hauses findet sich das Baudatum 1882.

In den Jahren 1920 bis 1981 fanden verschiedene Innen- und Aussenrenovationen statt.

Ab 1994 war das Sigristhaus verwaist. Der aufgelaufene Unterhaltsrückstand, die kleine Nutzfläche und der bescheidene Ausstattungs-Standard verhinderten eine adäquate Nutzung. Wert erhaltende Investitionen waren aufgrund des Unterhaltsrückstands dringend notwendig.

Sigristendienste auf Gormund

Anfang des 18. Jahrhunderts entlohnte das Stift den Sigrist mit Geld, wies ihm ein kleines Haus und genügend Holz und einiges Pflanzland zu. Zwischen 1704 bis 1749 versahen vier Waldbrüder den Sigristendienst auf Gormund und von 1524 bis 1866 sind 19 Sigristen aufgeführt. Die meisten stammten aus Neudorf und einige aus Münster.

Melchior Suter amtete von 1820-1866, also volle 44 Jahre. Der Sigrist bekam pro Hochzeit jeweils 2 Franken und für’s Kreuzwegstationen beten 5 Batzen. Später kam Edi Bieler mit seiner Familie ins Sigristenhaus. Edi Bieler versah während 42 Jahren bis ins hohe Alter in seiner schwarzen Soutane den Dienst in der Kapelle.

Edi Bieler und die letzte Soutane im Luzernbiet

Wenn es sieben Uhr ist und stockdunkel, brennt hinter den Fenstern der Wallfahrtskapelle Gormund schon lange Licht. Der alte Sigrist Edi Bieler zündet die Kerzen für die Frühmesse an, füllt Wein und Wasser in zwei Glaskrüge und setzt die Heizung auf der Empore in Betrieb, alles mit jahrelang eingeübten Bewegungen. Nur hie und da zögert der Fuss vor der nächsten Treppenstufe, zittert seine Hand unsicher beim Kerzenanzünden. Die Augen des 84-jährigen Sigrists sehen seit einiger Zeit nicht mehr gut, seit er den grauen Star hat, ist er beinahe blind. Für die täglichen Aufgaben in der Kapelle reicht es dennoch: «Nach 38 Jahren kennt man die Sachen», meint er nur.

Edi Bieler zieht seine schwarze Soutane an. Er sei der letzte Sigrist im Luzernbiet, der sie noch trage, sagen die Leute. Dann setzt er die Glocken per Knopfdruck in Bewegung. «Früher wurde hier noch mit zwei Seilen geläutet», erzählt er. «Es brauchte den richtigen Schwung, um die Glocken überhaupt zum Tönen zu bringen. Das hatte ich perfekt im Griff.»

Neben dem Glockenläuten sorgt der Sigrist für den Kerzen-Nachschub, putzt die Kapelle, sorgt für den Blumenschmuck und zieht bei Hochzeiten das Geld ein, «wöu de Kaplan ned gärn höischt», wie er sagt.

Sein Lohn dafür ist reichlich bescheiden: Rund 1000 Franken sind es im Jahr. «Das Trinkgeld ist grösser als der Lohn», sagt er, und dann, mit einem Lächeln: «De Kaplan luegt scho, dass ech ned z’chorz chome.»

Edi Bieler hat jetzt keine Zeit mehr zum Reden, der Kaplan kommt in die Sakristei. Der Sigrist hängt ihm das vorbereitete Messgewand um die Schulter. Die ersten Leute betreten die Kapelle.

Wie in einem geheimen Ritual gehen die Frauen nach vorne, um zwei oder drei Kerzen aus der bereitgestellten Schachtel zu nehmen und vor der Muttergottesstatue anzuzünden, die Männer ziehen sich sofort auf ihren Stammplatz zurück. Das Kirchenglockengeläut verhallt, es bleibt bei den acht Kirchengängern. Der grosse, würdevolle Kaplan betritt nun die Kapelle, mit gebeugtem Rücken folgt ihm der kleine, alte Sigrist. Dieser setzt sich in den Chorstuhl, die Hände stützen sich dabei schwer aufs Geländer. Später reicht er dem Kaplan Wein und Wasser. Die Worte des Kaplans und die Handgriffe des Sigrists halten sich an die gleiche, Jahre alte Tradition, auch die Menschen in den Kirchbänken versinken im ruhigen, präzisen, sich nie verändernden Ablauf.

Langsam wird es kalt in der Kapelle. Graues Winterlicht dringt durch die Fenster. Edi Bielers Haus liegt nur wenige Meter unterhalb der Kapelle, wir wechseln den Ort. Kaum ist die Türe geöffnet, befindet man sich in einem winzigen, kalten Vorraum, höchstens drei auf drei Meter gross. Die Wände sind in quadratische Abstellflächen eingeteilt, ein niedriger Ladentisch steht stumm in der Mitte. Ein Puppenladen? «Meine Frau und ich führten ein kleines Geschäft. Als meine Frau vor 20 Jahren starb, habe ich es aufgelöst.» Über den Ladentisch gingen Teigwaren, Mehl und Zucker, Putzmittel, Seife, Heliomalt.

«Am besten gingen die Süssigkeiten. Bei den Prozessionen ins Gormund haben die Kinder immer Zückerli gekauft.» Ansonsten lief das Geschäft nicht sehr rosig: «Ob jemand bei uns einkaufte oder nicht, war eben eine politische Frage», kommt es ganz selbstverständlich über Edi Bielers Lippen.

Bevor er im Gormund Sigrist und Krämer wurde, hatte er bei verschiedenen Bauern als Taglöhner gearbeitet, war auf dem Bau, arbeitete in einem Munitionsstollen in Aesch und war Totengräber in Hildisrieden, Römerswil und Neudorf.

Quelle: Pascal Müller; «Luzerner Neueste Nachrichten» 1991